Libellen vor der Linse

Auf den ersten Blick scheint die Industriestadt Ludwigshafen nicht mit den sensiblen Libellen in Verbindung gebracht zu werden. Die vielen Weiher und Seen im Stadtgebiet bieten jedoch vielen verschiedenen Libellenarten einen Lebensraum. Durch vorliegende Untersuchungen von den 1980er Jahren bis heute können auch Aussagen über die Veränderungen des Bestands gemacht werden. Einen Beitrag dazu leistet der Diplom-Geograph Werner Appel, der in Friesenheim wohnt und in seiner Freizeit zum Fotografieren raus in die Natur geht. In einem Brief an Friesenheim aktuell berichtet der 54-Jährige, den viele auch als Buchautor kennen, von seinem Projekt: Seit diesem Jahr arbeite ich an meinem neuen Projekt „Libellen in Ludwigshafen“. Viele reden über Insektensterben, Bienen und Hummeln. Beim Ausprobieren eines neuen Telezooms entdeckte ich dagegen die Schönheit der Libellen, die ganz leise und teils versteckt an fließenden und stillen Gewässern leben. Die Anregung, sich mehr mit der Natur unserer Heimatstadt zu befassen, erhielt ich von Klaus Eisele, der allseits bekannte „Honischmann“ auf dem Friesenheimer Wochenmarkt. Er möchte das Programm der Vogelschutzgruppe ORBEA mit anderen Themen erweitern, da kamen ihm die Libellen gerade recht. Ludwigshafen wird ja bescheinigt, es sei eine Industriestadt mit wenig Natur. Da ist natürlich auch etwas dran, denn die Stadt übernimmt wichtige Versorgungsfunktionen für das Umland, die nun mal Siedlungsflächen benötigen. Aber es gibt an den vielen durch Rohstoffabbau entstandenen Baggerseen auch sehr interessante Lebensräume für Flora und Fauna. Von den 27 Orten, an denen in Ludwigshafen Libellen vorkommen können, habe ich 22 bis Mitte Juli 2019 besucht und dort 19 verschiedene Libellenarten vorgefunden. In Friesenheim gibt es drei öffentlich zugängliche Stellen: Ebertpark-, Zehnmorgen- und Bastenhorstweiher. Sicher kennen einige Leser Libellen auch von ihren Gartenteichen, nur dort konnte ich nicht überall sein. Das Willersinngebiet wird zwar von vielen als zu Friesenheim zugehörig genutzt, gehört aber was Stadtteil, Ortsbezirk und Gemarkung betrifft, zu Oppau. Über dieses Seengebiet kann in einer anderen Ausgabe gerne noch berichtet werden. Die drei genannten Seen bieten aufgrund ihrer Ufergestaltung und Vegetation unterschiedliche Lebensräume. Am Bastenhorstweiher fand ich die geringste Artenvielfalt. Durch seinen dichten und großenteils schattigen Uferbewuchs, der nur an wenigen Stellen einen Wasserzugang hat, habe ich dort nur eine Art entdeckt, die ständig umherfliegende Große Königslibelle. Das muss nicht heißen, dass es dort keine anderen Arten gibt, ich fand nur bisher keine. Am Ebertparkweiher, der wegen seine befestigten Ufer eher naturfern ist, kamen mir dieses Jahr erst zwei vor die Linse. Das kann an der Säuberungsaktion im letzten Jahr liegen, weil dabei das komplette Wasser enfernt wurde, was die Überlebenschancen von Libellenlarven zunichte machte. Beobachtet habe ich auch die Große Königslibelle, die wahrscheinlich von anderen Teichen, an denen viele Exemplare schlüpften, wegen „Überbevölkerung“ hierher kamen. Sie ist übrigens die größte in Europa vorkommende Art. Besonders interessant ist die Tatsache, dass zwei Weibchen der Königslibelle ihre Eier ablegten, aus denen Larven und in ein/zwei Jahren Libellen werden können. Die zweite Beobachtung ist ebenfalls eine besondere, obwohl sie für Libellen eine alltägliche ist: Ein Großer Blaupfeil schoss vor meinen Augen aus der Ufervegetation hervor und erbeutete einen Falter, den er vor meiner Kamera verspeiste. Sein Mahl bestand aus einem Purpurroten Zünsler und dauerte drei bis vier Minuten. Jeder will eben satt werden und Libellen sind reine Insektenfresser. Die mit Abstand größte Artenvielfalt weist der Zehnmorgenweiher auf. Sein Ufer bietet durch die vielen Angelplätze im Wechsel mit vielen Pflanzen und direktem Sonnenlicht einen günstigen Lebensraum. Entdeckt habe ich bislang zehn Arten: Gemeine Winterlibelle, Große Pechlibelle, Frühe Adonislibelle, Kleines Granatauge, HufeisenAzurjungfer, Vierfleck, Feuerlibelle und Große Königslibelle sowie erst kürzlich die Blutrote Heidelibelle und die Weidenjungfer. An dieser Stelle sei angemerkt, dass der Libellenbestand am See in keinem ursächlichen Zusammenhang mit dem östlich anschließenden Baumbestand, wofür es Bebauungsabsichten gibt, steht. Da die Libellen als Larven im und als erwachsene Tiere überwiegend direkt am Wasser leben, sind andere Faktoren für ihr Wohlergehen viel entscheidender, wie zum Beispiel Fischbesatz, Wasserqualität, vorkommende Fressfeinde und die Ufervegetation. Schließlich lassen sie sich durch die praktisch neben ihnen sitzenden Angler auch nicht vertreiben. Bis in den Oktober können noch manche Arten vorkommen und ich hoffe, die eine oder andere in Friesenheim und Ludwigshafen zusätzlich ablichten zu können. red/Bilder: Appe