„Ich weiß, dass ich nicht aufhören kann“

Dorothea Conrad lebt im Niederfeld. Ihre Passion ist es, Bücher zu schreiben. Vor kurzem erschien ihr bereits fünftes Werk, die Novelle „Trennung und Neubeginn“.

 

„An einem Pfingstfeiertag hat Katjas Verbitterung den Höhepunkt erreicht. Sie ergreift die Flucht und fährt kurz entschlossen nach Heidelberg. Dieser Tag wird ihr gesamtes Leben beeinflussen…“ Die Novelle beruhe leider auf Tatsachen, sagt Dorothea Conrad. Es ist das neueste Werk der Autorin, die schon seit 30 Jahren im Stadtteil Niederfeld lebt. „Es ist immer Fiktion dabei, aber diesen Typ gibt es wirklich.“

„Trennung und Neubeginn“ ist im Verlag Regionalkultur erschienen. Es handelt von einer anfangs glücklichen Ehe, die letztendlich viel zu lange dauert. 40 Jahre bleibt Katja bei ihrem Mann Erik, der ihr das Leben zur Hölle macht. Sie lernt Gregor kennen, verliebt sich neu. Doch wird sie den Schritt wagen und Erik verlassen? Die Autorin schüttelt den Kopf, wenn sie von ihrem Buch erzählt. Sie habe das Ganze miterlebt. Nicht selbst, aber im engen Bekanntenkreis. Und es hat sie so beschäftigt, dass sie sich ans Schreiben machte. So entstand Conrads fünftes Buch. Zwei Gedichtbändchen, ein Kinderbuch und eine Teilbiografie gehen schon auf ihr Konto. Letzteres ist sogar in der zweiten Auflage erschienen. „Schreib auf, worüber du nicht sprechen kannst“ heißt das Buch, in dem Dorothea Conrad, 1930 im preußischen Königsberg geboren, von ihren bewegt bedrückenden Jahren zwischen 1944 und 1948 erzählt. Eine Zeit, die sie eigentlich verdrängen wollte, die aber durch das Schreiben wieder sehr präsent wurde. „Schreiben hilft mir nicht beim Verarbeiten“, erklärt sie. Sie lebe sich in die Geschichten hinein – und hat diese auch nach dem Abschluss ihrer Bücher im Kopf. Dennoch sei Schreiben ihre Passion. Und als ihre drei Kinder aus dem Haus waren, konnte Dorothea Conrad zur Schreibmaschine greifen. „Ich habe das bis dahin immer beiseite geschoben, denn ich weiß, dass ich nicht aufhören kann“, sagt sie. Sie wollte für ihre Familie da sein. Ungefähr ein Jahr lang hat die Rentnerin an „Trennung und Neubeginn“ gearbeitet. Die Novelle wollte sie schreiben, um anderen etwas zu zeigen: „Die Menschen sollen rechtzeitig die Reißleine ziehen, bevor sie seelisch kaputt gehen.“ Allerdings schreibt sie ohne belehrend den Zeigefinger zu heben. „Ich berichte und beschreibe nur“, so Conrad. Beeindruckend ist die Art und Weise, wie sie ihre Gedanken aufs Papier bringt. Zuerst schreibe sie alles per Hand auf. Dann nimmt sie vor ihrer Schreibmaschine Platz und überträgt das Ganze, bevor es der Verlag bekommt. „Wahrscheinlich ist das Gewohnheit“, sagt sie und lacht. „Ich muss meine Gedanken in meiner Schrift lesen.“Schon als Kind interessierte sich Dorothea Conrad für die Kunst. In der Schule war sie darin immer sehr gut. Beim Malen, auch beim Verfassen von Aufsätzen. Bilder und kleine Gedichte von ihr finden sich ebenfalls in der neuen Novelle. „Ich hätte früher gerne eine Kunstschule in Essen besucht“, erinnert sich die Seniorin. Doch es habe das Geld dafür gefehlt. Stattdessen machte sie als junge Frau eine Ausbildung als technische Assistentin und arbeitete in einer Hutfabrik. Dort wurden unter anderem Schutzhelme aus Kunststoff entwickelt. Conrad hat im Unternehmen vor allem die Wasserversorgung überwacht und Proben von dem Wasser genommen, das für die Helme benötigt wurde. „Ich musste ja irgendetwas machen“, erklärt sie. Siebeneinhalb Jahre übte sie diesen Beruf aus. Die Hochzeit mit ihrem bereits verstorbenen Mann war fast eine Befreiung daraus. Es kamen die Kinder und Dorothea Conrad kümmerte sich um den Haushalt. Nun schreibt sie also.

Die Ideen gehen ihr nicht aus. „Ich habe schon wieder etwas Neues im Kopf“, sagt sie. Reich will sie mit ihren Büchern aber nicht werden. Das Geld, das durch den Verkauf ihrer Teilbiografie zusammenkam, spendete sie für einen guten Zweck.             jm